Niederländer gehen mit dem Begriff »Referendum« noch relativ ungenau um; es handelt sich auch um ein neue Idee. Was zur Zeit diskutiert wird, ist: Soll das Referendumsrecht eingeführt werden, so dass das Volk ein fakultatives Gesetzesreferendum verlangen kann? In der Schweiz gibt es ein obligatorisches Referendum, wenn die Verfassung geändert wird; in den Niederlanden kann das Parlament mit 2/3-Mehrheit eine Verfassungsänderung beschliessen.
Was mich erstaunt, ist, dass politisch interessierte Menschen das Referendumsrecht ablehnen. Es sei nicht gut, wenn die Mehrheit z. B. die Todesstrafe befürwortet und sie so einführen könnte. Dies ist jedoch unzutreffend: nur was das Parlament befürwortet, kann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Und von einer Mehrheit im Parlament für die Todesstrafe ist noch lange nicht die Rede.
Ein anderes Argument, das ich gehört habe, ist, dass das Referendumsrecht überflüssig sei, weil die Politiker in engem Kontakt mit dem Rest der Bevölkerung ständen. In der Praxis heisst das: wer am lautesten schreit und am meisten Geld für Lobbying übrig hat. Und das ist oft nicht die Mehrheit. (Man denke an das Arbeitsgesetz in der Schweiz, das von der Bundesversammlung zu arbeitgeberfreundlich gemacht wurde.)
Die christlichen Parteien lehnen das Referendumsrecht strikt ab. Paradox ist, dass ausgerechnet die CDA (Christen-demokratisch appèl) den grössten Nutzen davon haben wird, weil sie (voraussichtlich) die grösste Oppositionspartei bleibt. Das Referendumsrecht ist nämlich ein Machtmittel der Opposition: »Wenn ihr, die Koalition, unsere Vorschläge nicht berücksichtigt, ergreifen wir das Referendum!« So vergrössert die Opposition ihren Einfluss im Parlament, die Grenzen zwischen Koalition und Opposition verwischen sich.
Auch eine ausserparlamentarische Opposition bekommt mehr Einfluss. Ein Beispiel dafür ist die (geplante) Kürzung der ALV, die vom Schweizervolk abgelehnt wurde. Das Referendum wurde von einem Arbeitslosenkomitee aus La-Chaux-de-Fonds ergriffen.
Natürlich kostet es Geld, natürlich ist es lästig, natürlich geht Arbeit in einem abgelehnten Gesetz verloren, natürlich haben die Experten grössere Einsicht, natürlich wissen die Politiker alles besser. Aber ich bekomme den Eindruck, dass die meisten Gegenargumente von Parlamentariern erfunden werden, die ihre Macht nicht abgeben wollen.
© 20. Juni 1998, David Jansen.